Rechtsberatung durch künstliche Intelligenz? – Hallo Computer!

Erschienen am: 24. Januar 2024

Kleine Figur Justitia. Schwert und Waagschale sowie Gesetzestext.Fans des Star Trek Universums erinnern sich mit Sicherheit an den vierten Kinofilm. Hier verschlug es die Mannschaft der Enterprise im Hollywood-Streifen „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ ins Jahr 1986. Chefingenieur Montgomery Scott, auch „Scotty“ genannt, versuchte hier in einer Szene einen Computer aus diesem Jahr mehrmals ergebnislos anzusprechen. Selbst als ihm sein Begleiter „Pille“ (Dr. Leonard McCoy) die Maus reichte, versuchte Scotty zunächst diese als Eingabemikrofon zu benutzen. Erst der gezielte Hinweis, dass die Tastatur doch direkt vor ihm liegt, konnte Scotty schließlich zu lustlosen Tippen und dem brummeligen Kommentar „Tastatur, wie rückständig!“ bewegen.

Hartkodiert bedeutet vorgegeben
Gut, noch sind wir weit davon entfernt, unsere gesamte EDV in einer Rechtsanwaltskanzlei komplett ohne manuelle Eingabegeräte zu nutzen. Auch sind die Systeme noch nicht in der Lage, autark alle Eingaben selbstständig zu prüfen und Fehler zuverlässig zu korrigieren. Die kontinuierliche Optimierung vieler Anwendungen ist aber auch für uns im Kanzleialltag spürbar. Betrachten wir einmal den Einsatz von Spracherkennung im Arbeitsalltag von Rechtsanwälten.

Spracherkennung sammelt nur die Laute
Eine solche Spracherkennung ist zusammengefasst, nichts anderes als ein Programm, das in der Lage ist, „Laut(e)“ auf Basis phonemischer Rahmen zu erkennen und diese in für uns verständliche zusammenhängende Wortfolgen umzusetzen. Da ein sogenannter „Laut“ meist mehr als nur aus einem einzigen Buchstaben besteht, muss auch die Software (das Programm) in der Lage sein, diese erkannten Laute korrekt umzuwandeln, um letztendlich die richtigen Worte im Zielprogramm darzustellen.

Hartkodiert kennt kein links und rechts
Ein derartiges Programm funktioniert in der Regel „hartkodiert“. Es wendet nur streng vorgegebene Abläufe an, die ein Programmierer alle bereits vorab definiert hat. Alles außerhalb dieser fest definierten Vorgaben ist nicht anwendbar und kann nicht stattfinden. Der Buchstabe A ist immer der Buchstabe A, denn dies ist schließlich fest (also hartkodiert) im Programm hinterlegt. Die ausgesprochenen Laute des Wortes Arbeitsrecht „Ar-beits-recht“ liefern dem Programm die Information „Arbeitsrecht“ und stellen das Wort im Zielprogramm dar. Aber das Programm selbst kann mangels eigenständiger Flexibilität nicht erkennen, was der Bediener genau bezweckt. Es kann immer nur auf Basis der hartkodierten Vorgaben reagieren. Alles, was geschieht, ist, dass das Wort Arbeitsrecht völlig neutral dargestellt wird. Würde ein Anwender „Ar-bei-bei-bei-bei-re-re-re-recht“ sagen, würde das Programm auch dies, obwohl nicht sinnig, darstellen.

Hartkodiert? Fehler benötigen Updates
Diese Art der Computernutzung unterliegt also (engen) Grenzen. Ein weiteres gutes Beispiel aus dem Alltag ist eine Rechtschreibkorrektur. Diese kann letztendlich immer nur das korrigieren, was auch im Programm selbst fest hinterlegt ist. Fehlerhafte Korrekturvorschläge benötigen den aktiven Einsatz von Aktualisierungen (Updates) vom Entwickler und/oder dem Nutzer. Bleibt eine Aktualisierung aus, verbleibt der Fehler permanent im Programm.

Neuronale Netzwerke
Auf diese „starre“ Art und Weise funktionieren die meisten Programme, die auf dem Markt und im Einsatz sind. Und eine Rechtsanwaltskanzlei muss bestimmte Anwendungen der EDV benutzen. Anders könnte man gar nicht mehr aktiv arbeiten. Zukünftig stehen sicherlich enorme Möglichkeiten mit vielen Neuerungen und Veränderungen an. Denn mittlerweile ist das Feld der sogenannten künstlichen Intelligenz derart weit fortgeschritten, dass diese neuronalen Netzwerke (= künstliche Intelligenz) in der Lage sind, Fehler beim Training (= Benutzung) durch Anwender zu erkennen und zu bereinigen. Natürlich nur, wenn wirklich ausreichend Information und Daten vorliegen.

Lernen neuronale Netzwerke?
Letztendlich könnte ein lernfähiges neuronales Netzwerk selbstständig aus vorgegebenen Datenquellen stets neue, zusätzliche Informationen beziehen, sortieren, bewerten und in den Arbeitsablauf integrieren. Beim zuvor angesprochenen Beispiel einer Rechtschreibkorrektur und der benötigten Updates würde dies bedeuten, dass künstliche Intelligenz vorhandene Fehler einer hartkodierten Umgebung durch Training erkennen und korrigieren kann. Aufwändige Updates wären dann gar nicht mehr oder nur noch in geringen Umfang nötig. Aber auch der Benutzer kann eigene Vorgaben effektiv festlegen, um seine individuellen Tätigkeiten besser zu optimieren. Zwar sind während dieser Abläufe Kontrollen unausweichlich, aber im Vergleich zu aufwändiger einzuspielender Fehlerkorrektur fällt der Aufwand hier merklich geringer aus.

Neuronale Netzwerke können Neues lernen
Man darf die recht spektakuläre Bezeichnung „Künstliche Intelligenz“ jedoch nicht zu sehr vermenschlichen. Denn „künstliche Intelligenz“ basiert schlichtweg auf einem neuronalen Netzwerk, das anhand etlicher Variablen bzw. Werte in der Lage ist logisches Denken, Lernen, Planen und Kreativität zu imitieren. Etwas völlig Neues, ohne irgendwelche Vorgaben und Parameter zu erhalten, „denken“ sich neuronale Netzwerke nicht aus.
Erhält beispielsweise ein neuronales Netzwerk die Information, was der Buchstabe A ist und was mit diesem bewerkstelligt werden kann, ist es anhand der vielen bereits vorliegenden Informationen in der Lage, dieses „A“ auch in alle anderen bekannten und erlernten Bereichen einzusetzen. Ohne vorhandene Grundinformationen könnte eine künstliche Intelligenz aber auch einfach mit dem blanken Buchstaben A nichts anfangen.
Die Möglichkeit, ein neuronales Netzwerk aktiv und in Echtzeit zu trainieren, spart jedoch nachträgliches aufwändiges Hartkodieren. Dies reduziert Ressourcenbedarf, nötige Manpower und auch Folgekosten.

Enormer Aufwand, Hype inklusive
Zwar ist der Aufwand der kontinuierlichen Trainingsphasen zunächst gigantisch, aber ab einem gewissen Punkt kann ein neuronales Netzwerk auf Basis dieser unzähligen Variablen reagieren und sie richtig nutzen, ohne dass dies erst funktionell implementiert werden müsste. Anhand vorliegender Daten und einer entsprechenden antrainierten Orientierung ergeben sich schon jetzt Anwendungsmöglichkeiten, die nicht nur Fachleute erstaunen.

Zuviel Hype?
Nun überschlagen sich nahezu jeden Tag spektakuläre Schlagzeilen und Überschriften geradezu und berichten davon, was alles mit der „neuen“ künstlichen Intelligenz machbar sein wird. Allerdings sind viele dieser Schlagzeilen mehr als reißerisch gehalten und stellen oft nur als Klickköder (Clickbait) in Reinkultur heraus. Wir sind noch weit davon entfernt, dass neuronale Netzwerke ein eigenes Bewusstsein entwickeln und im Anschluss Skynet zum unumstößlichen Großherrscher ausrufen.

So funktioniert es
Falls Sie dieses Thema etwas genauer interessiert, wird Ihnen mit Sicherheit der sachliche Beitrag von Prof. Hannah Bast und Harald Lesch gefallen. Hier wird dem Laien in einfachen Schritten erklärt, wie ein neuronales Netzwerk aufgebaut ist, wie es funktioniert und vor allem, welcher Aufwand und wie viel Training einfließen müssen, bis Resultate ersichtlich sind.
(Den Link hierzu finden Sie am Ende des Beitrags.)

Überprüfung notwendig
Auch wenn es von vielen Seiten möglicherweise sehr blauäugig propagiert wird, stecken viele Anwendungsgebiete rund um die künstliche noch in den Anfängen. Die Ergebnisse sind zugegebenermaßen wirklich verblüffend, aber sicher nicht immer absolut. Benutzer dürfen keinesfalls jegliche Ausgabe und Angabe eines neuronalen Netzwerkes als gegeben und den Tatsachen entsprechend hinnehmen. Ausgespuckte Fakten und Angaben müssen gewissenhaft geprüft werden. Denn eine menschliche Eigenschaft beherrschen die künstlichen Intelligenzen bereits perfekt: Sie flunkern und erfinden auch mal Fakten, dass sich die Balken biegen.

Fehlverhalten inklusive
Auch wissen die Medien von vielen tollpatschigen „Fakes“ und Fehlern künstlicher Intelligenzen zu berichten. Ein spezieller Fall soll sich in den USA ereignet haben. Dort soll kürzlich ein raffinierter Kunde einem Chatbot in einem Kundengespräch einen nagelneuen Chevy Tahoe, Baujahr 2024, zum Preis von gerade einmal einem Dollar abgeschwatzt haben.

Ausblick in die Zukunft
Nichtsdestotrotz sind neuronale Netzwerke schon jetzt in diversen Bereichen nutzbar und werden zukünftig den Kanzleibetrieb durchaus in vielen Bereichen unterstützen. An Möglichkeiten mangelt es jedenfalls nicht, egal ob es sich hierbei um Recherche, Vertragsprüfung, Dokumentenmanagement, Erstellung von Rechtsdokumenten, Compliance-Überwachung, Korrespondenz, Terminmanagement, Fallmanagement, Verwaltung von Rechtsstreitigkeiten, Schulungen usw. handeln wird.

Mehr zum Thema finden Sie in der Wikipedia:
ChatGPT

Chatbot ausgetrickst:
KI-Chatbot eines Chevy-Händlers verkauft Neuwagen für 1 Dollar

Wie ChatGPT eigene Texte erkennen soll:
Neues Programm der ChatGPT-Erfinder soll KI-Texte erkennen können

Weitere Informationen zu einer künstlichen Intelligenz:
ChatGPT: Was kann Künstliche Intelligenz?

So funktioniert eine KI (neuronales Netzwerk):
ChatGPT & Co – wie intelligent ist KI? Harald Lesch, Marco Smolla & Hannah Bast

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Sabrina Jost, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Kitzingen
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