Krieg der (Bewertungs-)Sterne – „Big Business“ mit Fake-Bewertungen online
Sage und schreibe mehr als 10.000 Mitarbeiter weltweit sollen beim Online-Riesen Amazon dafür zuständig sein, Kunden der Plattform vor Betrugsversuchen, Produktfälschungen sowie unzähligen Fake- und Gefälligkeitsbewertungen zu beschützen. Entsprechend habe man laut Amazon im Jahr 2021 über 900 Millionen US-Dollar zur Betrugsbekämpfung ausgegeben. Auch wurden mehr als 3 Millionen Produkte von der Plattform verbannt, da diese nicht den Richtlinien entsprochen haben sollen.
Bewertungs-Agenturen aufs Korn genommen
Parallel berichtet Amazon Manager Dharmesh Mehta in einem Blogpost darüber, dass erfolgreich gegen diverse professionell organisierte „Bewertungs-Agenturen“ in Europa vorgegangen werden konnte. Im Visier dabei vor allem die offiziellen Anlaufstellen derartiger Bewertungs-Vermittler. Diese Dienstleister ermöglichten (direkt online) mit nur wenigen Klicks positive Bewertungen direkt zu ordern. Selbstverständlich inklusive wohlwollend formulierter Begleitworte.
Krieg der Bewertungs-Sterne – Fake- und Schwindel, Mengenrabatt inklusive
Richtig gelesen! Interessenten konnten kurzerhand direkt im Internet völlig anonym positive Bewertungen einkaufen und somit ein Produkt massiv pushen, ohne dass irgendwelche Kaufabwicklungen getätigt wurden. Fast schon zynisch hierbei der Umstand, dass ähnlich wie beim gegenwärtigen Online-Versandhandel die Preisgestaltung selbst gestaffelt angeboten wurde. Wer mehr der Fake-Wertungen bestellte, sparte bei einer „Mengenabnahme“ somit sogar noch kräftig. Neben bekannten Bewertungs-Agenturen und Anbietern hat Amazon auch andere Kanäle ins Visier genommen und ausgemachte Gruppen direkt bei den jeweiligen Plattform-Betreibern wie Facebook, Telegram, Twitter und Instagram gemeldet. Anscheinend wurde hierdurch zusätzlich mächtig Staub aufgewirbelt. Denn unbestätigten Informationen zufolge sollen circa 16.000 organisierter Gruppen mit nahezu 11 Millionen Mitgliedern gemeldet und im Anschluss geschlossen bzw. gelöscht worden sein. Mit Sicherheit kann Online-Riese Amazon den blühenden Handel mit Gefälligkeits- und Fake-Bewertungen hierdurch nicht gänzlich verhindern. Aber durch das konsequente Vorgehen wird klar signalisiert, dass man zukünftig wesentlich genauer hinschauen wird. Auch schöpft Amazon mittlerweile weitere Möglichkeiten mitunter juristisch aus.
Augen auf!
Hand aufs Herz, erspäht man ein interessantes Produkt im Internet, egal auf welcher Plattform, kann ein makelloser Bewertungsdurchschnitt schnell den Kaufausschlag geben. Und schon ist die Falle zugeschnappt, und der Trick hat funktioniert. Der Händler konnte sein Produkt absetzen, und Sie als Verbraucher wurden mehr oder minder durch falsche Bewertungen zum Kauf animiert. Unbedarfte Kunden stehen dem zunächst chancenlos gegenüber und können oft gar nicht feststellen, ob es sich bei allen eingeblendeten Bewertungen auch wirklich ausschließlich um authentische Berichte anderer Konsumenten handelt. Mit einigen einfachen Faustregeln können Sie jedoch mögliche Fake-Bewertungen einfacher identifizieren. Hierzu zählen mit Sicherheit gerade bei Standard- und Alltagsprodukten zu lange und übertrieben lobende Bewertungstexte. Schließlich ist ein einfaches Paar Socken doch bereits ausgiebig beschrieben, sobald die Verarbeitungsqualität und das subjektive Gefallen genannt wurde. Weiteres lobendes „Drumherum“ ist nicht realistisch. Auch auffällig sind „eingestreute“ Schlüsselwörter und Synonyme rund um die jeweilige Produktfamilie. Meist werden solche Wort-Tricks von professionellen Agenturen genutzt, um die Zielprodukte merklich besser in Suchergebnissen anzuzeigen. Weitere Indikatoren bilden neben übertriebener Sprache auch künstliche Formulierungen und mit allzu vielen Superlativen ausgeschmückte Satzbauten. Zusätzlich wird ein Vergleich der Bewertungszeiträume so manche gekaufte Bewertung verraten. Denn hat das Produkt innerhalb nur weniger Tage schlagartig nahezu alle seine positiven Beurteilungen erhalten, kann das durchaus an einem in Anspruch genommenen Mengenrabatt beim Bewertungseinkauf gelegen haben.
Harte Bandagen, Fakten und Zahlen
Den Aufwand, den Amazon hier betreibt, aber auch betreiben muss, wird zusätzlich durch den Einsatz von Programmen und Algorithmen unter Zuhilfenahme sogenannter „künstlicher Intelligenz“ unterstützt. Mit ihrer Hilfe sollen auffällige Beiträge aufgespürt und aussortiert werden, um letztendlich einen Bewertungsdurchschnitt zu realisieren, der ausschließlich auf zustande gekommenen Käufen basiert. Amazon scheint auch kein Problem damit zu haben, dass am Ende eine schlechte Ware auch mit entsprechend vielen schlechten Bewertungen gekennzeichnet wird, solange es sich um authentisches Kunden-Feedback handelt. Die Angabe seitens Amazon, dass im Jahr 2020 über 200 Millionen vermeintliche Falschbewertungen und unzutreffende Produktrezensionen gelöscht wurden, führt den Kunden erst einmal vor Augen, um welche Größenordnung es sich insgesamt handelt.
Hoher Kollateralschaden?
Keine noch so spezialisierte Fachabteilung und keine noch so fein ausgearbeitete und gepflegte Software wird in der Lage sein, wirklich absolut sicher ausschließlich Fake-Bewertungen zu identifizieren. Somit werden als bitterer Nebeneffekt auch eine Vielzahl echter und eigentlich gewünschter authentische Bewertungen solchen Bereinigungsaktionen zum Opfer fallen. Wie hoch hier jedoch letztendlich der Anteil liegt, ist nicht bekannt.
Was bleibt?
Nichtsdestotrotz ist und bleibt der Mechanismus der „Nutzer-generierten-Beiträge“ (User-Generated-Content) in Form von abgegebenen Bewertungen und Rezessionen ein hervorragendes und äußerst wichtiges Instrument, das einfach nicht mehr wegzudenken ist. Lassen Sie sich den Spaß am Shopping nicht verderben. Behalten Sie dabei aber stets im Hinterkopf zu viel an positiver Resonanz, auch kritisch zu hinterfragen. Und zu guter Letzt wollen wir Ihnen noch den Tipp mitgeben, auch hin und wieder die Begleittexte von negativen Bewertungen zu lesen. Mit Sicherheit finden sich gerade dort in den „schlechten Bewertungen“ relevante Hinweise, die Ihnen Informationen zu einem Produkt geben können, die in dieser Form gar nicht in der Produktbeschreibung zu finden sein werden.
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Frank Barthel, Fachanwalt für Strafrecht, Kitzingen
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